Copyright © Frankfurter Rundschau 2000, 26.08.2000
Uni-Psychiatrie: wieder ein Todesfall
44-Jährige soll erstickt sein / Staatsanwalt beschlagnahmt Leiche auf dem Friedhof
Von Norbert Leppert
Wieder muss sich die Staatsanwaltschaft mit einem unklaren Todesfall auf der geschlossenen Psychiatrie-Station in der Uniklinik beschäftigen. Die Schwester der 44- jährigen Verstorbenen hat Anzeige erstattet. Die Obduktion im Zentrum für Rechtsmedizin hat keine Organveränderungen ergeben, die auf "plötzlichen Tod aus natürlicher Ursache" hindeuten würden.
Wie Stefanie Laue (31), nach deren völlig unerwartetem Tod am 29. Juni dieses Jahres Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung erstattet wurde, war auch die Patientin im neuen Fall auf richterlichen Beschluss wegen Fremd- beziehungsweise Selbstgefährdung auf Station 93,1 der Uni-Psychiatrie untergebracht. Laut ärztlicher Diagnose litt die gelernte Zahntechnikerin, Mutter einer 17-jährigen Tochter, an einer manisch-depressiven Erkrankung sowie körperlicher Behinderung als Folge eines Selbstmordversuchs. Außerdem war ein Unterschenkel amputiert.
Nach jahrelanger Einnahme von Schmerzmitteln war sie von Tabletten abhängig.Sieben Wochen nach einem Erregungszustand, der am 5. März dieses Jahres zur Einweisung auf die geschlossene Abteilung führte, war die Patientin tot. "Tod durch Ersticken" lautete die erste Auskunft, die Angehörige von der Klinik erhielten. Mutter und Schwester wollten zunächst nicht weiter nachforschen und auf eine Obduktion verzichten.
Bis sie wegen eines merkwürdig erscheinenden Verhaltens der behandelnden Ärzte sowie nach ernst zu nehmenden Hinweisen auf Gewaltanwendung während des Klinikaufenthalts plötzlich Verdacht schöpften, dass es sich um keinen "normalen" Todesfall handeln könnte.
Auf dem Hauptfriedhof sollte der Leichnam bereits eingeäschert werden, als die Schwester der Toten erfuhr, dass überhaupt keine Obduktion stattgefunden hatte. Und dies, obwohl die Ärztin Dr. H. telefonisch nachdrücklich um die Einwilligung gebeten hatte und Dr. S. bei ständigen Nachfragen zur Todesursache immer auf den noch ausstehenden Befund der Pathologie hingewiesen habe.
Im schroffen Gegensatz dazu hieß es nun auf einmal, wegen Einspruchs der Verwandtschaft habe man die Leichenöffnung nicht vornehmen können. Völlig irritiert meldete die Schwester den Vorgang bei Polizei und Staatsanwaltschaft, worauf die Leiche beschlagnahmt wurde und in die Rechtsmedizin kam. Wie bei Stefanie Laue haben die Rechtsmediziner bei der Obduktion auch im Fall der 13 Jahre älteren Patientin keine plausible Todesursache feststellen können. Deshalb verlangt die jüngere Schwester, von Beruf Chefsekretärin, nun Aufklärung von der Staatsanwaltschaft. Die hat unterdessen, wie Oberstaatsanwalt Job Tilmann am Freitag auf Anfrage bestätigte, eine chemisch-toxikologisch Untersuchung sowie die Blutalkoholbestimmung angeordnet.
Folgt man der Strafanzeige, soll sich die Patientin während ihres Aufenthalts auf der geschlossenen Station öfter über die Art ihrer Behandlung beklagt haben. Unter anderem berichtete sie, dass Pfleger sie geschlagen hätten.
Anlässlich des Besuchs einer Frankfurter Vormundschaftsrichterin auf der Station habe sie dieser erzählt, dass sie - ohne die erforderlich Genehmigung - ständig am Bett fixiert werde, was sie als "Folter" bezeichnete.
Tatsächlich habe die Richterin an den Armen der Frau starke blaue Flecken und Striemen entdeckt. Daraufhin sei als Betreuer der Patientin ein Rechtsanwalt aus Karben eingeschaltet worden. Wie aus der Strafanzeige hervorgeht, beschwerte er sich bei Dr. S. und erklärte, falls dies wieder vorkomme, werde er Anzeige erstatten. Zwar weist der Obduktionsbefund keine frischen Verletzungen auf, doch sollen die von der Schwester geschilderten Vorfälle nach Auskunft der Staatsanwaltschaft nun ebenfalls überprüft werden. Ob die Ärzte vernommen werden, wird der ermittelnde Staatsanwalt in den nächsten Tagen entscheiden.
Die Uniklinik sandte trotz mehrfacher Nachfrage die angekündigte Stellungnahme nicht bis zum Redaktionsschluss.