Museum der Wahnsinnigen Schönheit
Presseerklärungen:
- Pressemitteilung des Freundeskreis des Museums „Haus des Eigensinn":
Freundeskreis bittet Finanzsenatorin um Museumsgrundstück in der Tiergartenstr. 4 vom 24. Juni 1999
- Brief an die Finanzsenatorin
P r e s s e e r k l ä r u n g
des Freundeskreises des Museums
„Haus des Eigensinns"
Am 26. Januar 1998 hat sich in Berlin ein „Freundeskreis des Museums ,Haus des Eigensinns’ " konstituiert, dessen Ziel es ist, an der Errichtung einer Stiftung sowie eines Museums mitzuwirken, das unter dem Namen „Haus des Eigensinns" an der historischen Stätte Tiergartenstraße 4 in Berlin errichtet werden soll.
Die Mitglieder des Freundeskreises sind Frau Dorothea Buck sowie die Herren Henry Friedlander, Bischof Wolfgang Huber, Ellis Huber, Walter Jens, Norbert Kampe, Horst-Eberhard Richter, Ram Ishay sowie Peter Raue.
Das geplante Museum wird eine Gedenkstätte und Mahnmal für die Opfer der „Euthanasie" im nationalsozialistischen Deutschland sein. Außerdem unterstützt der Freundeskreis die Initiative des Bundesverbandes PsychiatrieErfahrener (BPE), dessen Ziel es ist, Werke der Prinzhorn-Sammlung von ihrem gegenwärtigen Aufenthaltsort in der Universitätsklinik Heidelberg zur dauernden Ausstellung in das zukünftige Museum zu überführen.
Zumindest zwei Gründe streiten für diese Initiative:
Der Freundeskreis ist mit dem Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener der Ansicht, daß die Prinzhorn-Sammlung - die berühmteste Sammlung der Kunst von sogenannten Geisteskranken - die Heimat jedenfalls nicht allein und ausschließlich in Heidelberg haben sollte, an dem Ort, an dem der schlimmste ärztliche Repräsentant des Euthanasie-Programmes - Professor Schneider gewirkt, entwürdigende Experimente an geisteskranken Menschen ausgeübt und seinem zweifelhaften Forschungsinstitut zur Verfügung gestellt hat.
Wichtige Teile der Prinzhorn-Sammlung in der Tiergartenstraße 4 auszustellen, scheint dem Freundeskreis aber auch deshalb sinnvoll, ja erforderlich, weil von diesem Ort die sogenannte Aktion T4 (T4 steht für Tiergarten 4) organisiert und durchgeführt wurde. An diesem Ort hatte das aus verschiedenen NS-Einrichtungen bestehende Amt seinen Sitz, das unter dem Titel „Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten" die systematische Registrierung und Tötung geistig Behinderter organisierte. An diesem historischen Ort kann das Ziel des Freundeskreises, Verständnis zu wecken für die Probleme der Mitmenschlichkeit und Menschenwürde im Rahmen psychiatrischer Maßnahmen, am besten verwirklicht werden.
Mit der Gedenkstätte „Topographie des Terrors", mit dem „Haus der Wannsee-Konferenz" und dem Holocaust-Denkmal hat Berlin verschiedene Stätten, die an das Unrecht erinnern, das durch die Nationalsozialisten geschehen ist. In diesem Kontext wird das Haus des Eigensinns diesem dunklen und der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Kapitel der deutschen Geschichte eine würdige Gedenkstätte sein.
Der Freundeskreis des Museums „Haus des Eigensinns" wird in den nächsten Tagen die Universität Heidelberg und den Landtag von Baden-Württemberg um die dauernde Leihgabe von Bildern der „Prinzhorn-Sammlung" an den Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener (BPE) bitten, der als legitimer Sachwalter der Interessen der Schöpfer der Kunstwerke auftreten kann. Mindestens soll hinsichtlich der nunmehr öffentlich gewordenen Pläne, die Prinzhorn-Sammlung in einem früheren neurologischen Hörsaal der Universität Heidelberg auszustellen, ein Moratorium erreicht werden, um eine breite Diskussion über den Verbleib der Sammlung und der Verteilung der hierfür bereitstehenden Fördermittel zu eröffnen.
Der Freundeskreis wird ferner den Berliner Senat auffordern, das Museumsprojekt dadurch zu unterstützen, daß das Grundstück im Bezirk Tiergarten für diese Gedenkstätte freigegeben wird.
Sobald die Realisierung dieses Vorhabens möglich wird - das Grundstück zur Verfügung steht und Teile der Prinzhorn-Sammlung nach Berlin gelangen - wird eine Stiftung „Haus des Eigensinns" errichtet, die von einem privaten Stifter mit einem Kapital von
1,75 Mio. DM ausgestattet werden wird. Der Stifter will unbekannt bleiben und hat deshalb Herrn Rechtsanwalt Professor Dr. Peter Raue gebeten, als Treuhänder zu fungieren.
Presseerklärung des Sprechers des Freundeskreises
"Haus des Eigensinns"
anläßlich der Pressekonferenz am Freitag den 24. 9.1999
In seinem Buch "lst das ein Mensch" beschreibt Primo Levi, wie er von Dr. Pannwitz, Chef den chemischen Abteilung von Auschwitz, ausgefragt wird. Levi war Chemiker von Beruf. Eine Arbeit der chemischen Abteilung könnte ihn vielleicht vor der Vernichtung bewahren. Als er in seiner KZ-Uniform auf der andere Seite des Schreibtisches stand, sah Dr. Pannwitz ihn an, als blicke er auf einen Fisch im Aquarium. So war Primo Levi noch nie von jemandem angesehen worden - und er hat die Bedeutung dieses Blickes nie vergessen.
Eine Geschichte der moralischen Phantasie unserer Zeit wird die Entstehungsgeschichte dieses "Aquarium-Blickes" des Dr. Pannwitz erzählen müssen.
Hier fand eine Begegnung zweier Menschen statt, als sei sie die zweier Gattungen.
So einen Blick muß Horkheimer in der Emigration in Amerika im Sinn gehabt haben, als er schon am 28. August 1941 an Adorno schreibt:
„Die Ermordung der Irren enthält den Schlüssel zum Juden-Pogrom... Daß sie von den Zwecken und Zielen, in deren Dienst das Leben der Heutigen verläuft, nicht genauso gebannt sind wie die Tüchtigen selbst, macht die Irren zu unheimlichen Zuschauern, die man wegschaffen muß... Wieder und wieder sollte sich erweisen, daß Freiheit nicht möglich ist1"
Wir freuen uns, daß es heute in der beabsichtigten Zusammenarbeit der Topographie des Terrors, des Haus der Wannseekonferenz und des geplanten "Haus des Eigensinns" zu dieser gemeinsamen Pressekonferenz mit dem blauen Kamel für ein ehrendes Gedenken an die Opfer der sog. „Euthanasie" gekommen ist. Das Anliegen, in Berlin Buch eine Skulptur zur Erinnerung und Mahnung an die dort begangenen Verbrechen an den Berliner Opfern der „Euthanasie" und deren Auswaidung für die Hirnforschung von Spatz und Hallervorden zu errichten, unterstützen wir aus vollem Herzen. Es ist eine sinnvolle regionale Ergänzung zu unserem Projekt einer Gedenkstätte für die Bundesrepublik am Ort der Schreibtischtäter -Zentrale, der Tiergartenstr. 4.
Unsere Zusammenarbeit dokumentiert, daß Prof. Reinhard Kosellecks Befürchtungen, die Konkurrenz verschiedener Gedenkstätten könne zu einer Reproduktion der Nazi -Hierarchisierung führen, sich ins Gegenteil gewendet hat: kooperative Zuarbeit und dabei werden die Unterschiede der Opfergruppen nicht verkleistert, sondern ihre Individualität wird um so deutlicher.
Für Historiker ist klar: die Tiergartenstr. 4 ist der mittlere Schritt einer dreiteiligen Entwicklung: Hier am Ort der Topographie des Terrors hat das faschistische System seit 1933 per Terror die politische Absicherung seiner Herrschaft organisiert, in der Tiergartenstr. 4 wurde das spezifisch nationalsozialistische, systematische Fabrikmorden in der Gaskammer geplant, organisiert und das Mordsystem gesteuert, das dann im Januar 1942 mit dem Beschluß im Haus der Wannseekonferenz im millionenfachen Mord an den europäischen Juden in den polnischen Vernichtungslagern seinen Höhepunkt fand.
Noch ein paar kritische Worte zu Berlin Buch:
Die dort betriebene Forschung zur biotechnischen Nutzung der Ergebnisse des sog. „Human Genom Projects" wird in völliger Ignoranz der deutschen Geschichte betrieben. Die Gefahren dieser „Anthropotechniken" zur Herstellung biologischer Waffen, wie zu einer pränatalen Gleichschaltung sind offensichtlich. Mit diesen Techniken droht DIE Erfüllung des Nazitraums der „Aufrassung" und Eliminierung der angeblich „schädlichen Teile des Volkskörpers".
Deshalb ist die Angst, mit der sich angebl. Habermas gegen Sloterdijks Elmauer Rede zur Wehr gesetzt haben soll, nur zu verständlich: Werden Hasenscharten in den von Peter Sloterdijk postulierten „Regeln des Menschenparks" noch eine Existenzberechtigung haben?
Peter Sloterdijk behauptet in seinem offenen Brief an Habermas, daß die Kritische Theorie am
2. September gestorben sei und daß das Wesen der Kritischen Theorie in ihrer Dämmerung offenkundig würde:
„In ihrer älteren Version (Adorno) war die Frankfurter Schule ein gnostischer George-Kreis von links; sie lancierte die wunderbar hochmütige Initiative, eine ganze Generation in verfeinernder Absicht zu verführen."
Ganz im Gegenteil zu Herr Sloterdijks Einschätzung zeigt sich heute, wie aktuell die Frankfurter Schule und Adorno ist:
"Die Totalität der Gesellschaft bewährt sich daran, daß sie ihre Mitglieder nicht nur mit Haut und Haaren beschlagnahmt, sondern nach ihrem Ebenbild erschafft. Darauf ist es in letzter Instanz mit der Polarisierung der Spannung in Macht und Ohnmacht abgesehen. Nur denen, die wie es sind, zahlt das Monopol die Zuwendungen, auf denen die Stabilität der Gesellschaft beruht. Dies sich Gleichmachen, Zivilisieren, Einfügen verbraucht all die Energie, die es anderen machen könnte, bis aus der bedingten Allmenschlichkeit die Barbarei hervortritt, die sie ist."
Der Sprecher des Freundeskreis, René Talbot
Gesammelte Schriften Band 17:
Briefwechsel 1941-1948. Hrsg. von Gunzelin Schmid Noerr, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/ Main 1996
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Landesverband
Psychiatrie-Erfahrener
Berlin-Brandenburg e.V.
im Werner-Fuß-Zentrum
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4
10405 Berlinwww.psychiatrie-erfahrene.de
11.September 2001
Presseerklärung
des Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Berlin Brandenburg e.V.,
zur Pressekonferenz am 11.9.2001 in HeidelbergMit Abscheu und Entsetzen müssen Psychiatrie-Erfahrene zur Kenntnis nehmen, daß die Heidelberger Universität eine permante Ausstellung der sog. "Sammlung Prinzhorn" in einem Hörsaal der Psychiatrie/Neurologie, in denen der Mörder Carl Schneider das sagen hatte, am 13.9.eröffnen wird. Dieses schamlose Projekt läßt sich zusammenfassen als Beutekunst im Hörsaal der Mörder.
Stattdessen sollen die Kunstwerke vollständig in den Besitz des BPE für die Ausstellung im "Haus des Eigensinns – Museum der Wahnsinnigen Schönheit" übergehen. Die Realisierung dieser Gedenkstätte in der Tiergartenstr. 4 ist durch das Ende der CDU Regierungsbeteiligung in Berlin in greifbare Nähe gerückt.
Seit dem Brief des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener vom 15.1.1998 ist dem Rektor der Universität Heidelberg, dem Kultusministerium der Baden Würtembergischen Regierung und der Heidelberger Universitätspsychiatrie bekannt, daß die Sammlung bösgläubig erworben wurde und deshalb nie in das Eigentum der Universität übergegangen ist (wir verweisen nochmals auf die Expertise des Urheberrechts-Spezialisten Prof. Raue vom 3. Juli 1996). Die Universität hat diese Expertise indirekt dadurch anerkannt, daß sie nie versucht hat Copyrights gegenüber der Initiative "Haus des Eigensinns" geltend zu machen, da sie offensichtlich keine Copyrights hat. Wir fordern die Medien deshalb hiermit auf, ohne Einverständnis der Heidelberger Universität intensiven Gebrauch von den Werken der verfolgten Künstler zu machen, die Hans Prinzhorn und die Heidelberger Universität als kolonialisierende Herrschaftsinstitution an sich gerissen hat, um ein "psychopatholgisches Museum" zu errichten, einen Ort der Verleumdung und Stigmatisierung der Künstler und ihrer Kunst als "geisteskrank".
Dieses Anliegen erfährt nun seine perfide Vollendung: ein Sammler als Beutemacher soll geehrt werden – die Kunst pathologisiert werden, selbst wenn die Identität der Künstler unbekannt ist – deren Schicksal hat die Kolonial herren sowieso nur insoweit interessiert, wie sie psychiatrisch verleumdet werden konnten.
Der Heidelberger Universität ist bewußt, welch Böses sie tut, versucht doch der Rektor Siebke durch Täuschung der Öffentlichkeit davon abzulenken, daß der angebl. "neurologische" Hörsaal nie Teil des "Imperiums" von dem mörderischen Psychiater Prof. Carl Schneider gewesen wäre. Tatsächlich weisen die öffentlich zugänglichen Vorlesungsverzeichnisse der Universität Prof. Carl Schneider als Direktor der psychiatrisch/neurologischen Klinik in der Voßstr. aus, die behauptete Trennung in eine neurologische und eine psychiatrische Klinik gibt es nur in den Täuschungsbemühungen von Rektor Siebke, der Universitätspsychiatrie und der Kustodin der Prinzhornsammlung, die diese Schutzbehauptung unterschrieben haben. Sie würde auch dem biologistischen Verständnis eines Nazi-Psychiaters widersprechen, für den "das Blut" und die Erblehre für die Psyche ausschlaggebend ist.
Dass das Vertuschungsbemühen der Universität im Vordergrund des ganzen Umbaus des Hörsaals steht ist dadurch offensichtlich, daß die Kompromissangebote von Bischof Prof. Wolfgang Huber und Prof. Raue, die diese im Auftrag des Freundeskreis "Haus des Eigensinns" ausgelotet hatten, von Prof. Siebke und der Prof. Mundt vom Tisch gefegt wurden. Statt dessen wurden die Mittel für den Umbau dann und erst dann vom Land bereitgestellt, nachdem die Pläne für das "Haus des Eigensinns" der Kustodin der sog. "Prinzhorn Sammlung", Frau Jadi, im Sommer 1996 bekannt wurden. Es handelt sich also bei dem Umbau dieses Hörsaals um eine Abwehrreaktion auf unsere Initiative die Bilder in einem "Museum der Wahnsinnigen Schönheit" öffentlich zu machen. So sollen die Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Heidelberger Universität vertuscht werden. Und für diese Art der Weißwasch -"Geschichtsbewältigung" soll jetzt auch noch Beutekunst der Universität herhalten.
Diese Form der "Erinnerung" soll nur das Vergessen gewährleisten!
Wir nennen dies:
- eine Verhöhnung der Opfer des ärztlichen Massenmords bekannt unter dem Namen "Euthanasie"
- eine Verhöhnung aller Opfer des darauf folgenden Holocaust
- eine Verhöhnung der Künstler, deren Werke von dem Nazi-Ideologen Prinzhorn gesammelt wurden
- eine Verhöhnung der modernen Kunst und ihrer Künstler, die der "berühmte" Heidelberger Universitätsordinarius Prof. Carl Schneider nach dem "Endsieg" ebenfalls hätte vergasen lassen
- eine Verhöhnung der heutigen Psychiatrie-Erfahrenen als den sozialen Brüdern und Schwestern der Ermordeten
Wir rufen auf, die von der Antifaschistischen Initiative Heidelberg organisierten Proteste gegen die Eröffnung der sog. "Sammlung Prinzhorn" zu unterstützen.
Der Vorstand des Landesverbands Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg e.V.
Für den Vorstand
Uwe Pankow