Rene
Talbot ist Vorstandsmitglied des Vereins "Irren-Offensive",
der im Bereich der Zwangspsychiatrie für Menschenrechte aktiv ist
Sie haben
am gestrigen Donnerstag die Kundgebung "Zwangsentmündi-gung
ist ein Verbrechen" vor der Schleswig-Holsteinischen Landesvertretung
in Berlin angemeldet. Warum?
Weil dort bei der Konferenz der Landesjustizminister die politischen
Gleise gestellt wurden für die Reform des Vormundschaftsrechtes.
Mit dieser Reform werden auf dem Feld der Psychiatrie nur Tippelschritte
hin zu Menschenwürde und Selbstbestimmung gemacht. Das grundsätzliche
Unrecht aber bleibt bestehen und wird verlängert. Statt ein Verbrechen
zu beenden, bleiben die Betroffenen isoliert - darüber sind sich
die Justizminister der 16 Länder einig.
Was genau
ist Ihr Problem mit dem Vorniundschaftsrecht?
Daß sich die Lage der Betroffenen radikal verschlechtert hat.
Bei der letzten Novellierung des Entmündigungsrechts 1992 kam es
zu seiner Umbenennung von Entmündigung in Betreuung. In den zehn
Jahren danach hat sich die Zahl der Entmündigten um mehr als das
Zweieinhalbfache auf über eine Million Menschen gesteigert. Der
Fakt ist der gleiche geblieben, aber die Betroffenen werden jetzt arglistig
darüber getäuscht. Betreuung vermittelt ihnen, es gehe um
Treue ihren Interessen gegenüber, tatsächlich aber gilt die
Treue der "Betreuer" den entmündigenden Instanzen Gericht
und Staat. Diese semantische Täu-
schung hat zum beschriebenen Anstieg geführt. Wir fordern deshalb
die Rückbenennung in das, was es ist: Entmündigung. Ein Verlust
der Grundrechte. Vom Menschen wird man zum Stück Fleisch, das kein
Recht mehr auf körperliche Unversehrtheit oder die Freiheit des
Denkens hat. Nur getötet werden darf es nicht.
Was setzen
Sie dem entgegen?
Das politische Endziel der Irren-Offensive ist die Abschaffung des Betreuungs-/Entmündi-gungsrechtes.
Neben einer Rückbenennung in Entmündigungs-recht wollen wir
die juristische Möglichkeit der Vorsorgevollmacht stärken,
weil sie eine Möglichkeit bietet, die Zwangsent-mündigung
zu verhindern und die Selbstbestimmung der Betroffenen umfassend zu
sichern. Das dokumentiert sogar die Justizministerkonferenz in ihren
eigenen Papieren.
Was planen
Sie nach dieser Kundgebung?
Wir werden weiter versuchen, politische Gespräche zu führen.
Parallel zu unserer Kundgebung haben wir alle Mitglieder des Bundestages
von unsere Stellungnahme informiert. Des weiteren wollen wir dafür
zu sorgen, daß die vorhandenen Möglichkeiten der Vorsorgevollmacht
von den Betroffenen in der alltäglichen Praxis massenhaft genutzt
werden. Denn damit haben wir ein Mittel, um das Rückgrat der Zwangspsychiatrie
zu brechen: Gewalt und Zwang.
Interview
Matthias Pfeiffer
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