Copyright © Frankfurter Rundschau 2000, 21.07.2000

Tod einer jungen Frau in der Psychiatrie beschäftigt Staatsanwalt

31-Jährige wurde in der Uniklinik schon sechs Monate behandelt / Mutter stellte Strafantrag wegen fahrlässiger Tötung

Von Norbert Leppert

Nach dem völlig unerwarteten Tod einer 31 Jahre alten Patientin auf der geschlossenen Station in der Psychiatrie der Uniklinik ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft, ob Fremdverschulden vorliegt. Wie Oberstaatsanwalt Job Tilmann am Donnerstag auf Anfrage mitteilte, hat die Obduktion "keine fassbare Todesursache" ergeben.

Gegen ihren Willen war die am 29. Juni gestorbene Stefanie Laue vor bereits sechs Monaten auf Station 93,1 der Unikliniken vom Vormundschaftsgericht untergebracht worden. Sie litt unter einer schizophrenen Psychose, wobei laut ärztlichem Gutachten bei ihr bis zu zweimal täglich Erregungszustände auftraten. Da die Patientin in diesem Stadium keine Kontrolle mehr über sich hatte, wurde von Selbst- beziehungsweise Fremdgefährdung ausgegangen.

Noch am Todestag war sie in der Klinik von ihrer Verfahrenspflegerin aufgesucht worden. Die vom Gericht bestellte Anwältin Elisabeth Schütz sollte prüfen, ob die Unterbringung erneut verlängert werden müsste oder nicht. Stefanie Laue bat um Entlassung aus der Psychiatrie; sie wollte ins Frauenhaus umziehen.

Nach dem Bericht der Anwältin war die Patientin unsicher auf den Beinen, versuchte ihr Gleichgewicht zu halten und "lallte". Anzeichen für einen Anfall, Aufregung oder Selbstmordabsichten habe es aber nicht gegegeben. Eineinhalb Stunden nach dem Besuch der Anwältin war Stefanie Laue tot. Einer Mitteilung der Klinik zufolge starb sie gegen 16 Uhr.

"Damit hätte ich nicht gerechnet", so die Verfahrenspflegerin. Umso weniger, als bei der Patientin bis 14.30 Uhr keinerlei äußere Anzeichen wie Herzschmerzen, Schweißtropfen oder Unwohlsein ersichtlich gewesen seien. Auch hatte die Stationsärztin gegenüber der Anwältin nichts erwähnt von einem lebensbedrohlichen Zustand.

Zwei Wochen nach dem Tod der Tochter hat jetzt die Mutter Strafanzeige erstattet gegen Unbekannt wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung. Jutta Laue arbeitet seit Anfang der siebziger Jahre als Anwältin in Frankfurt, spezialisiert auf Straf- und Familienrecht. Da die Obduktion in der Rechtsmedizin keine plausible Todesursache ergab und auch der behandelnde Oberarzt gegenüber den Angehörigen keine Erklärung hatte, verlangt die Mutter Aufklärung von der Staatsanwaltschaft. Die hat eine toxikologische Nachuntersuchung angeordnet.

Sie soll Aufschluss geben über Art und Umfang der Medikamente, die Stefanie Laue zuletzt erhielt. In der Regel dauert die Expertise Wochen. Da es sich jedoch um einen ungewöhnlichen Todesfall handelt, geht Oberstaatsanwalt Tilmann davon aus, dass schon in Kürze ein Ergebnis vorliegt. Anschließend will die Staatsanwaltschaft einen medizinischen Sachverständigen beauftragen. Er wird klären müssen, ob es unter anderem Hinweise gibt auf ärztliche Behandlungsfehler.

Sämtliche Krankenunterlagen der Patientin sind beschlagnahmt worden. Nach erster Durchsicht sollen sie, so der Oberstaatsanwalt, "nicht ganz vollständig sein". So sei der Besuch der Verfahrenspflegerin am Todestag zunächst nicht notiert, sondern erst später eingetragen worden.

Für die Mutter, die mit Einleitung des Ermittlungsverfahrens als Nebenklägerin auftreten will, stellt sich die Frage, ob Stefanie ordnungsgemäß behandelt wurde. Allein die ungewöhnlich lange Dauer der Unterbringung, die erneut verlängert werden sollte, lassen Zweifel bei ihr aufkommen. Sind "falsche" Medikamente gespritzt worden, womöglich unter Zwang, war die Dosis zu hoch? Ebenso sei zu klären, ob die Patientin, nachdem sie bereits "lallte" und sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte, nicht ständig hätte überwacht werden müssen.

Für eine Stellungnahme war der Chefarzt im Bereich der geschlossenen Station, Professor Konrad Maurer, am Donnerstag nicht zu erreichen. Gegenüber der Mutter hatte er zu Beginn der Behandlung erklärt: "Auf schizophrene Psychosen sind wir spezialisiert."

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