Auszug aus der Rede von Frau Elvira Manthey geborene Hempel, zum
T4-Umzug am 15. Juni 1996Veranstalter: Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg
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Aufruf zum T4-Umzug 1996"Wir waren eingesperrt. Es gab nur Prügel. 1940 ist meine Schwester abtransportiert worden. Sie ist einen Tag vor ihrem fünften Geburts-tag in Brandenburger Zuchthaus vergast worden. Ich bin eine Woche später abtransportiert worden. Ich durfte, schon nackt ausgezogen, direkt vor der Gaskammer umkehren. Dieses Erbgesundheitsgesetz von 1933 ist noch nicht für nichtig erklärt. Wir sind heute noch laut Gesetz das, zu was uns die Naziverbrecher verurteilt haben. In mei-nem Fall ein gemeingefährlicher Idiot, angeboren schwachsinnig und verwahrlost.
Ich kämpfe für alle, die unter diesem Gesetz von diesen Verbrechern verurteilt wurden, und für alle von T4. Die Verwaltung hat von dieser Stelle aus die Opfer angefordert.
Ich kämpfe auch für diese Opfer, daß man ihnen auch nach ihrem Tod die Würde zurückgibt. Daß man sie als Opfer anerkennt, und nicht als minderwertige Opfer. Sie sind heute noch laut Gesetz min-derwertige Menschen.
Ich kämpfe um meine Menschenwürde und um alle, die noch leben. Daß man uns allen die Menschenwürde zurückgibt."
Elvira Manthey:
"Die Hempelsche. Das Schicksal eines deutschen Kindes, das 1940 vor den Gaskammern umkehren durfte."
Eigenverlag Lübeck
Die S/W Fotos vom T4 Umzug hat uns
Günther Martin zur Verfügung gestellt
zweite Rede von Frau Elvira Manthey am 15.6.1996:Eine gewisse Leere...
weil Psychiater so bösartig sein konnten, das zielgerichtete Ermorden von Patienten als Euthanasie, als nötiges Ballast- abwerfen zu bezeichnen.
Es sind die Worte und Gedanken dieser Leute gewesen, denen die Taten folgten und die den Abgrund an Unmenschlichkeit geöffnet haben. Psychiatrisierte waren die Gruppe in Deutschland, an denen die systematische Vernichtung von Leben erprobt wurde, wo kollektiv die kulturelle Schwelle des Tötungstabus überschritten wurde,
und der gesellschaftliche Groß-versuch unternommen wurde, durch Sterilisation eine Verer-bungstheorie im Zuge der sog. Rassenhygiene zu beweisen.
Warum hat es keine nennenswerte Aufarbeitung dieser entsetzlichen Taten gegeben?
Wegen einer unheimlichen Gläubigkeit dieser Gesellschaft an eine medizinische Wissenschaft, die vorgibt, Verrücktheit erklären und therapieren zu können und dabei jeglichen Beweis schuldig geblieben ist. So geistert noch immer eine Vererbbarkeit des Wahnsinns durch biologistisches Psychiaterdenken, wo doch gerade in Deutschland so gut wie alle Ver-rückten vernichtet wur-den oder keine Kinder mehr bekommen konnten.
Und trotzdem gibt es uns, welch ein Triumpf der Ver-rücktheit! So kann uns, bei aller Verzweiflung über diese Taten, doch auch zuversichtlich machen, daß der Ver-rücktheit selbst mit aller Gewalt nicht beizukommen war.
Und nur, weil auch wir so lange noch den Ärzten geglaubt haben, konnten sie sich in wohlgefälliger Eitelkeit ihre Zwangsmaßnahmen und Zwangsbehandlungen weiter erlauben, sich unverändert schamlos vom Gesetzgeber ihr mieses Geschäft mit der Angst der Normalen vor uns legitimieren lassen und hilflosen Menschen ihre Maßnahmen aufzwingen.
Weil dieser Glauben zerfällt, können wir uns hier zum zweiten mal versammeln, denn wir können inzwischen das Gedenken an euch ermordete Brüder und Schwestern verbinden mit dem Selbstvertrauen an die Integrität und Würde unsereres Geistes.
Es ist so schwer |
Die rechts abgebildete Grafik wurde 1901 von
Franz Karl Bühler gezeichnet.
Er wurde 1940 in der Gaskammer von Grafeneck ermordet.HOME
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